Vor einigen Wochen haben wir uns in einem Blog-Artikel dem VWAP gewidmet – dem besten Trading-Indikator für Aktien-Trader.
Im damaligen Blog-Artikel hatte ich einige spannende Denkanstöße geliefert, z.B. die Betrachtung des VWAP über einige Tage.
Hiernach versucht man zu einer Einschätzung zu gelangen, wie weit sich der Markt von einem bestimmten Preisniveau entfernt hat mit dem Versuch zu erkennen, wie weit der Markt gegen positionierte Marktteilnehmer gelaufen ist.
Wie damals geschrieben, ist das die Grundidee hinter Konzepten wie dem „Anchored VWAP“, dem Thema des heutigen Blog-Artikels.
Was ist der Anchored VWAP (AVWAP)?
Beim Anchored VWAP handelt es sich, wie beim klassischen VWAP auch, um einen volumengewichteten Durchschnittspreis, wobei der jeweilige Kurs mit dem zu diesem jeweils gehandelten Volumen über einen bestimmten Zeitraum bestimmt wird.
Die Theorie hinter dem Anchored VWAP ist, wie in der klassischen technischen Analyse auch, dass der Kurs ein Gedächtnis hat, basierend auf früheren, technisch relevanten Kursniveaus und marktbewegenden Nachrichten (wenn man so möchte: fundamentale „Game Changer“).
Ausgehend hiervon werden frühere Widerstände zum Beispiel zu neuen Unterstützungen, Trader, die initial den Einstieg zu Kurs xyz verpasst haben, nutzen nun ihre zweite Chance zum Einstieg.
Der Grund für den Umstand, dass vergangene, verstärkte Price Action und getätigte Umsätze „Erinnerungen“ wecken und zum entsprechenden Kursniveau erneut verstärktes Interesse und Price Action begünstigen ist der „Anker-Effekt“.
Beim Anker-Effekt handelt es sich, wie im Falle der „Verlust-Aversion“ auch, um eine kognitive Dissonanz.
So haben Amos Tversky und Daniel Kahnemann erstmalig gezeigt, dass Menschen bei bewusst gewählten Zahlenwerten von momentan vorhandenen Umgebungsinformationen beeinflusst werden, ohne dass ihnen dieser Einfluss bewusst wird.
Die Umgebungsinformationen haben selbst dann Einfluss, wenn sie für die Entscheidung eigentlich irrelevant sind.
Es handelt sich also um einen Effekt, bei dem sich das Urteil an einem willkürlichen Anker orientiert.
Die Folge ist eine systematische Verzerrung in Richtung des Ankers.
Beispiel: Kahnemann illustrierte den Anker-Effekt dadurch, dass er eine Versuchsperson bat, zuerst, die letzten zwei Ziffern der eigenen Sozialversicherungsnummer auswendig zu lernen.
Anschließend sollte die Versuchsperson die Anzahl der Ärzte in New York schätzen.
Kahnemann kann dann zeigen, dass das bloße Denken an die erste Zahl (die Sozialversicherungsnummer), die Wahl der zweiten Zahl (Anzahl der Ärzte in New York) wesentlich beeinflusst, obwohl es keine logische Verbindung zwischen beiden gibt.
Dieses Phänomen wird nun versucht mittels des Anchored VWAP zu einem Vorteil im Trading umzuformulieren:
es wird davon ausgegangen, dass ein fundamental wichtiges News-Event, dass z.B. zu einer Kursrally in Aktie xyz geführt hat und unter hohem Volumen (=hohen Interesse) gelaufen ist, dazu führt, dass viele Marktteilnehmer einen konkreten Kurs im Kopf haben, der, sollte er unterschritten werden, Emotionen weckt.
Ausgehend von dieser Emotion ist dann zum Beispiel zu erwarten, dass eine eingeleitete Abwärtsbewegung und ein Unterschreiten des Ankers die Abwärtsbewegung weiter beschleunigt, weil diese Marktteilnehmer ihre nun gegen sie laufende Positionen abstoßen.
Wie wird der Anchored VWAP berechnet?
Suche einen Anker (zum Beispiel jenes Kursniveau auf dem eine Aktie vor Veröffentlichung eines außergewöhnlich guten Quartalsberichts gehandelt wurde)
Addiere das gehandelte Volumen aller Transaktionen auf
Teile die erhaltene Summe durch alle bis dahin gehandelten Aktien
Der resultierende Anchored VWAP zeigt dann den Volumen-gewichteten Durchschnittspreis für das jeweilige Zeitintervall ausgehend vom Startpunkt bzw. Anker
Wie findet man einen „Anker“?
Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, eine (nicht erschöpfende) Liste findest du im folgenden:
Höchstes gehandeltes Volumen im betrachteten Zeitfenster
Höchstes Hoch
Tiefstes Tief
Letztes Gap
Auf Tagesbasis bis heute
Auf Wochenbasis bis heute
Auf Monatsbasis bis heute
Auf Quartalsbasis bis heute
Auf Jahresbasis bis heute
Eine wichtige Information zum Abschluss: je weiter der Anchored VWAP-Startpunkt zurückliegt, desto „unsensibler“ wird die erstellte AVWAP-Linie auf Veränderungen reagieren.
Das hat damit zu tun, dass durch einen entsprechenden Abstand zum News-Event, wie im Leben auch, „Gras über eine Sache wächst“.
Das impliziert im Umkehrschluss, dass nicht allzu weit in der Vergangenheit liegende Anker meist aussagekräftigere Unterstützungs- und Widerstandsbereiche nach sich ziehen.
Grundsätzlich kann der AVWAP ähnlich wie ein gleitender Durchschnitt für den Trendhandel basierend auf Richtung und Steigung verwendet werden und durch Hinzufügen von Standardabweichungsbändern (Bollinger Bände oder Keltner Kanal) um ihn herum ermittelt werden, wie weit der Preis vom Durchschnittspreis entfernt ist.
Eine weiterführende Quelle in Bezug auf den Anchored VWAP liefert Brian Shannon von Alphatrends hier.
Dir hat der Artikel gefallen? Lass es den Autor wissen! Sende hierzu eine Mail an jklatt@jk-trading.com
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