In diesem Blog-Artikel wollen wir uns einem sehr spannenden Thema widmen: kognitiven Verzerrungen im Trading.
Bevor der Leser jetzt allerdings denkt „Whoa, das ist dann heute also weniger ein Trading-Blog-Artikel, eher eine Uni-Vorlesung alá ‚Wie kognitive Dissonanzen die Effizienz der globalen Finanzmärkte beeinflussen und die effiziente Markt-Hypothese ins Wanken bringen‘“ und gleich die Seite verlässt - keine Sorge. 😉
Dieser Blog-Artikel ist vor allem für jene spannend, die sich in ihrem Trading schon einmal vor dem Monitor haben sitzen sehen und dabei murmeln hören:
„Habe ich‘s doch gleich gesagt – DAX Long!“ oder
„Ahhh, ist der Markt nicht bereits etwas weit gelaufen, wäre es nicht vielleicht besser hier erstmal Gewinne mitzunehmen und später nochmal einzusteigen?“ oder
„Jetzt hat mich heute schon mein Zahnarzt auf Bitcoin angesprochen – vielleicht sollte ich doch noch einsteigen…“
Wenn du jetzt schmunzeln musst und fragst „Woher weiß der das?“, dann liegt das nicht daran, dass ich ein Trader-Flüsterer bin, der die geheimsten Wünsche aller Trader kennt, die sich alle irgendwie gleichen.
Nein, die Antwort, woher ich das weiß ist viel einfacher:
Du fragst dich das vor deinem Trading-PC sitzend, weil du ein Mensch mit Emotionen bist.
Und ausgehend von diesen Emotionen getrieben, unterliegst du ganz natürlichen Streichen, die dir dein Gehirn von Zeit und Zeit spielt und womit du im Trading „Maschinengewehr-artig“ bombardiert wirst.
„Ahhh, ist der Markt nicht bereits etwas weit gelaufen, wäre es nicht vielleicht besser hier erstmal Gewinne mitzunehmen und später nochmal einzusteigen?“
Einem klassischen Phänomen, der sogenannten Verlustaversion, hatten wir uns bereits in früheren Blog-Artikeln gewidmet, zum Beispiel hier.
Diese Verlustaversion erklärt, warum es besonders Privatanlegern und noch einmal jenen Tradern, die keine Vorteil-versprechende Handelsstrategie haben, so schwerfällt, Gewinne laufen zu lassen und Verluste konsequent zu begrenzen.
Der Grund ist in der Tat „einfach“: Menschen haben die natürliche Tendenz, Verluste dramatischer schmerzender zu empfinden und zu gewichten, als sie Gewinne in der gleichen Höhe als positive Erfahrung wahrnehmen.
In Zahlen ausgedrückt könnte man das auch so formulieren: wenn ich 10 Euro bei einem Spiel oder in unserem Fall in einem Trade verliere, dann muss ich mindestens 20 Euro im nächsten Trade gewinnen, damit die Freude über diesen 20 Euro Gewinn, den Schmerz bzw. Ärger über den vorigen Verlust auszugleichen.
Und tatsächlich ist das nicht nur reine Theorie: schau dir im Anschluss dieses Blog-Artikels gerne folgendes JK Trading-Video-Tutorial an, in welchen ich reale Handelsergebnisse in Bezug auf Gewinn- und Verlust-Trades aus mehreren Millionen Trades aufbereitet, vorstelle und diese Verlustaversion unter Privatanlegern illustriere:
„Habe ich‘s doch gleich gesagt – DAX Long!“
Wenn ich versuche, jemandem kognitive Verzerrungen näher zu bringen und diese aufs Trading zu übertragen, beginne ich meistens mit einem greifbaren Beispiel aus dem täglichen Leben:
Erinnerst du dich noch an das Jahr 2016? An den Brexit im Juni oder auch die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten?
Bestimmt wirst auch du dich vor dem Brexit, aber auch vor der US-Präsidentschaftswahl in Gesprächen wiedergefunden haben, wo es hieß: »Ach, der Brexit kommt sowieso nicht…« bzw. »Trump US-Präsident? Niemals!«.
Als es dann sowohl zum Brexit und zur Wahl Trumps kam und man sich mit den gleichen Personen noch einmal unterhielt, sah das schon anders aus.
Da es hieß es dann plötzlich »War ja abzusehen…«
Auch das ist eine allzu menschliche Reaktion und findet seinen Ursprung in einer kognitiven Verzerrung namens „Rückschaufehler“:
fragt man eine Person vor einem Ereignis, das einen sehr unwahrscheinlichen Ausgang hat (Brexit oder auch die Wahl Trumps zum US-Präsidenten) und ordnet der Befragte dem Ereignis eine Wahrscheinlichkeit von z.B. 20% zu, geschieht nach dem Eintreten des unwahrscheinlichen Ereignis folgendes:
Man fragt nochmal, und zwar konkret nach der vorher genannten Wahrscheinlichkeit (möglichst günstig ist, wenn bereits etwas Zeit vergangen ist oder eine Erinnerung durch Emotionen „verzerrt“ wird (wozu es im Trading sehr häufig kommt)).
Studien zeigen, dass die Mehrzahl der Befragten nun mit deutlich höheren Wahrscheinlichkeiten für das dann eingetretene Ereignis daherkommen (im Beispiel von z.B. 40 oder 50%).
Genau dieses Phänomen äußert sich dann im Trading durch Aussprüche wie »Hab ich‘s doch gesagt, DAX Long!«
Allerdings: wenn du dir so sicher warst, dass der DAX steigt, warum bist du dann nicht Long gegangen?
Recht einfach: weil du eben nicht so sicher warst… Dein Gehirn spielt dir hier einen Streich, nichts weiter.
„Jetzt hat mich heute schon mein Zahnarzt auf Bitcoin angesprochen – vielleicht sollte ich doch noch einsteigen…“
Hast schon einmal etwas von „FOMO“ gehört (oder in diesem Blog-Artikel gelesen?)
FOMO ist kurz für „Fear-Of-Missing-Out”, zu Deutsch: Angst haben, etwas zu verpassen.
Das klassische Beispiel in diesem Zusammenhang ist der parabolische Kursanstieg in Bitcoin Ende 2017.
Ich persönlich kann mich daran sehr gut erinnern: ich habe bereits Anfang 2014 erste Interviews zu Bitcoin gegeben (damals notierte Bitcoin bei etwa 200 USD) und war sehr skeptisch, meine Einschätzung bzw. Analyse war nicht sonderlich rosig.
(Das hat sich mittlerweile geändert, schau dir hierzu im Anschluss an diesen Blog-Artikel folgendes Bitcoin-Spezial-Webinar in meinem YouTube-Kanal an:
Während sich einige meiner Sorgen und Zweifel hinsichtlich krimineller und betrügerischer Machenschaften im Krypto-Bereich (Geldwäsche, Pump-and-Dump) bestätigt haben, ist der Innovationsgrad der Blockchain-Technologie, besonders durch die mathematische Eleganz, allerdings unbestreitbar, von der Kursentwicklung und den fantastischen Trading- und Rendite-Möglichkeiten, wenn man zur richtigen Zeit eingestiegen ist, mal ganz zu schweigen…
Und demnach sah ich mich zur damaligen Zeit mehr als einmal mit dem Gedanken konfrontiert, bei 10.000 USD und höher noch zuzuschlagen, um den Zug nicht zu verpassen – was ich allerdings glücklicherweise nicht tat, Bitcoin stürzte zwischenzeitlich ja auf unter 3.000 USD ab.
Aber auf jeden Fall sollte man sich dieser Angst, etwas verpassen zu können besonders als Trader jederzeit bewusst sein.
FOMO-Trading und Volatilität gehen gewöhnlich Hand in Hand, sprich:
starke Kursbewegungen sind klassische Aufmerksamkeits-Garanten, gehen zusammen mit einem ansteigenden Puls und emotionsgeladenen Entscheidungen und sorgen ganz besonders bei jenen Tradern für Angst etwas zu verpassen, die über keinen klar formulierten und einen Vorteil-versprechenden Handelsplan bzw. Handelsstrategie verfügen.
Fliegende Einhörner im Trading-Chart
Eine weitere, besonders unter Privatanlegern häufig auftretende kognitive Verzerrung ist bekannt unter „Pareidolie“ (näheres dazu in diesem Blog-Artikel).
Pareidolie bezeichnet das Phänomen, in Dingen und (zufälligen) Mustern vermeintliche Gesichter und vertraute Wesen oder Gegenstände zu erkennen.
Das äußert sich dann zum Beispiel im täglichen Leben darin, dass ich mit meiner Frau über die Straße laufe und sie plötzlich ruft: „Ahhhh, schau mal, wie romantisch!“
Der Finger zeigt zum Himmel, es zieht gerade eine Wolke vorbei und in dieser ist angeblich ein Herz zu erkennen.
Was nun bei Ihnen im ersten Moment ein Schmunzeln hervorruft ist in der Tat ein Phänomen, welches uns im Trading viel Geld kosten kann bzw. erfahrungsgemäß tut.
Es kommt nämlich nicht selten vor, dass unser Gehirn durch seine ganz natürliche Tendenz, rein zufälligen Mustern, die in ausreichend großen Datenmengen zwangsläufig vorkommen, Bedeutungen zuzuschreiben.
Das geschieht dadurch, dass unser Gehirn unvollständige Bilder und Strukturen vervollständigt und uns bekannten und vertrauten Mustern angleicht.
Und besonders im Trading und hier in unseren Charts ist die Gefahr solchen Illusionen zu unterliegen besonders stark ausgeprägt:
schließlich handelt es sich bei einem Kerzen-Chart um nichts weiteres, als eine zufällige Aneinanderreihung von Kerzen, aus welchen es gilt ein Muster abzulesen um eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Richtung für die nächste Kerze/nächsten Kerzen abzuleiten und hierdurch langfristig Geld im Trading zu verdienen.
Was bringt mir das Wissen um diese kognitiven Verzerrungen nun für mein Trading?
Zunächst einmal: es ist anhand greifbarer Beispiele aus dem täglichen Leben klar geworden, dass uns unser Gehirn Streiche spielt, besonders dann, wenn es emotional wird.
Demnach muss unser Ziel in unserem Trading sein, unsere Emotionen auf ein Minimum zu reduzieren.
Und das gelingt erfahrungsgemäß dadurch, dass erfolgreiche Trader Ihr Trading so langweilig und eintönig wie nur irgend möglich gestalten.
Das bedeutet also, dass du Routine in dein Trading bringen solltest, also einem konkreten Plan folgen, und das jeden Tag.
Beginne mit einer routinierten Vorbereitung, wobei das Ziel ist, dass du gut vorbereitet und fokussiert in dein Trading startest.
Das geht weit über das morgendliche Research hinaus, also welche Märkte du planst zu handeln und welche Level technisch relevant sind oder welche News anstehen.
Du solltest zudem herausfinden, was dich allmorgendlich auf „Betriebstemperatur“ bringt (z.B. ein schwarzer Kaffee, eine Runde um den Häuserblock joggen, ein gutes Frühstück, eine kalte/heiße Dusche, usw.)
Im nächsten Schritt geht es dann ans Trading – und nur das.
Das bedeutet: du setzt dein Wissen bzw. deine Handelsstrategie um und NUR das, sprich: versuche nach Möglichkeit keine Bewertung deines Tradings vorzunehmen.
Der Grund: beim ständigen Blick auf die Gewinn-/Verlustanzeige deines Handelsstation oder der Frage, ob der Trade „gut“ oder „schlecht“ war, setzt du dich dem Risiko aus, emotional zu werden – etwas, was wir vermeiden wollen.
Nach dem Trading geht es an die Dokumentation deines Trading-Ergebnisses, deiner Gefühle, besonderer Vorkommnisse, etc. im Trading-Journal.
Während es zwecks Dokumentation deines Trading-Ergebnisses gute, kostenlose externe Softwares wie FXBlue gibt (schaue dir diesen Blog-Artikel an, wie du dein Handelskonto mit FXBlue synchronisieren kannst), schiebe besonders die Dokumentation deiner Gefühlslage nicht auf: dokumentiere diese, solange die Gefühle „noch frisch sind“.
Dann geht es an die Bewertung und du beantwortest Fragen wie
War Trade im Einklang mit Handelsansatz?“
„War technische Ausführung korrekt?“
„Ist der Gewinn/Verlust so kalkulierbar gewesen oder durch Slippage größer/kleiner?“
„Wurde der Trade durch News-Events beeinflusst?“
„Wurden gesetzte Ziele erreicht?“
etc.
Und dann gilt es erstmal ein wenig Abstand zum Trading zu gewinnen.
Mache etwas Trading-losgelöstes,
spiele mit deinen Kindern,
spreche mit deinem Lebensgefährte/in,
gehe zum Sport,
esse etwas,
etc.
Danach geht es an die Analyse des Trading-Ergebnisses bzw. des Trading-Tages.
Hier beantwortest du dann Fragen wie „Welche neuen Erkenntnisse nehme ich für nächste Trading-Session mit?“.
Diese dokumentierst du und machst dich bei deiner nächsten Handelssitzung daran diese Veränderungen in deinem Trading umzusetzen.
Dieser Blog-Artikel findet sich auch noch einmal in einem Podcasts gemeinsam mit Admiral Markets:
Dass dieser Podcast mit Admiral Markets entstanden ist, ist kein Zufall: Admiral Markets bietet als Multi-Asset-Broker neben aktivem Trading mit CFDs zudem die Möglichkeit über die Invest-Lösung im MT5 physische Aktien ohne Hebel zu handeln.
Zum Testen kann man ein Demo-Konto HIER herunterladen.
Und, hast du dich in obigen Zeilen an der ein oder anderen Stelle wiedererkannt?
Hast du bereits Gegenmaßnahmen ergriffen, z.B. durch das Erstellen eines eigenen, Trading-psychologischen Profils?
Wie schauen deine Gegenmaßnahmen konkret aus?
Sende hierzu gerne eine Mail an jklatt@jk-trading.com, auch mit einem Feedback zum Artikel.
Interessieren könnte dich eventuell auch folgender Blog-Artikel: "Wie verhindert man emotionales Trading?"
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